Rosina Kuhn
*1940 in Zürich, lebt und arbeitet in Zürich
Himmel sind wichtig in Rosina Kuhns Landschaften, die sich in Panoramaformaten und meist im farbigen Gegenlicht der Dämmerung zeigen. «Sehnsuchtslandschaften» nannte sie die seit 2003 entstehenden Aussichten von Obino im Mendrisiotto und Solano in Los Angeles, mit ihren weiten Horizonten. Die Sehnsucht bezeichnete sie als eine Quelle ihres Schaffens, in dem sie sich primär mit Menschen befasst hat, Gesichtern, Rücken, der ganzen Figur. Angeli Sospesi, 2012 (Ausschnitt)Zur hochformatigen Serie «Venezianische Himmel», 2011/2012, inspirierte sie der barocke Maler Giambattista Tiepolo während eines Aufenthalts im Palazzo Castelforte in Venedig. Als sie vor der Scuola Grande dei Carmini stand mit ihren Malereien im Kapitelsaal, wusste sie, wem sie die sechs Leinwände widmen würde, mit denen sie in einem Gemüseschiff angereist war. «Tiepolo, einer der Lieblingsmaler meines Vaters, wollte ich besuchen und all die Erinnerungen wecken, wie wir durch Venedig von Deckengemälde zu Deckengemälde zogen, wie seine Begeisterung kein Ende fand angesichts der weissen Wolken, der Pferdebäuche und fl iegenden Mähnen und der himmlischen Heerscharen, die dem Licht entgegenfl iegen.»Diese Dynamik übertrug Rosina Kuhn in gestische Malerei, die an ihre Performances aus den 1970er-Jahren erinnert, in denen sie in der Produzentengalerie Zürich PRODUGA vor Publikum grossformatige abstrakte Bilder schuf und in New York zu Free Jazz sogenannte «Energy fi elds» und dabei auch die Vorstellung vom männlichen Künstlergenie hinterfragte. Ohne vorzuzeichnen, malte sie mit breiten Pinseln und dünnfl üssiger Ölfarbe direkt auf die geleimten naturfarbenen Leinwände: die Himmel fast monochrom, die heiligen Figuren aufgelöst in abstrakte Konstellationen und Gesten. Während in ihrer ersten Fassung von Tiepolos «La madonna consegna lo scapolare a S. Simone Stock» mit dem Titel «Carmina» die Szene angedeutet ist, in der die von Engeln umgebene Madonna dem knienden Mönch ein Skapulier überreichen lässt, tritt in der zweiten Fassung, «Apparizione», nur die Madonna mit Kind in Erscheinung.Dass Rosina Kuhn nicht vor dem Motiv arbeitete, sondern nach Ansichtskarten oder Büchern, befreite. Es erlaubte ihr zudem, Tiepolo über Venedig hinaus zu folgen. So bezieht sich «Omaggio a Tiepolo» auf das Deckenfresko «Olimpo e i continenti» im Treppenhaus der Würzburger Residenz. Während Giambattista Tiepolos Fresken die Architektur in die Unendlichkeit öffnen, vergegenwärtigen Spuren hinunterrinnender Farbe in Rosina Kuhns Bildern auch irdische Bedingtheiten.
Sie besuchte in Zürich die Schulen, das Gymnasium, die Kunstgewerbeschule und die Universität. Später unternahm sie Studienreisen nach Griechenland, Mexiko und New York. Von 1962 an arbeitete sie im eigenen Atelier und stellte im In-und Ausland aus. Von 1975 bis 1980 lebte und arbeitete sie in New York. Dann kehrte sie zurück nach Zürich. Im Theater am Neumarkt inszenierte sie eine abendfüllende Performence mit den Tänzern Bill T. Jones und Arnie Zane. Sie stellte im Kunsthaus Zürich 1987 ihre Rückenlandschaften aus; zudem erschien eine Publikation mit dem Titel «Rückenlandschaften, Backscapes». 1995 im Kunsthaus Olten Porträts aus zehn Jahren. Unter dem Titel «Blick der Malerin» kam beim Limmat Verlag ein Buch mit dem Text von Isolde Schaad heraus. Im Jahre 2003 wurden die Landschaften unter dem Titel «Nord Süd, Ost West» ausgestellt und dokumentiert mit einem Katalog unter dem gleichen Titel. 2018 fand die Ausstellung «3 Generationen» mit Eltern und Sohn im Museum Grenchen und im Neuen Museum Biel statt.
Der Kunstmarkt wird zurzeit von einer Handvoll Kunsthändlern und grossen Galerien weltweit beherrscht. Nur Werke von Künstlern, die von diesen Leuten ausgewählt worden sind, werden zu pervers grossen Summen verkauft. Es geht hier ums Geld, hier sind keine Kunstliebhaber am Werk. Die paar grossen Galerien gebärden sich wie Museen, die Messen werden immer teurer, so dass die mittleren und kleinen Galerien gar nicht mehr mitmachen können. Die einstigen Kunstliebhaber und -sammler werden von superreichen Leuten abgelöst, die Kunst als Anlage und aus Renommiergehabe kaufen. – Macht und Geld! Eine Möglichkeit, diesem Missstand zu begegnen, hat Giampaolo Russo an die Hand genommen: Er organisiert Orte, in denen Ausstellungen stattfinden können, und eine grosse Gruppe von Künstler*innen hat sich ihm angeschlossen, um auszustellen. Vier Ausstellungen mit dem Namen «Salon der Gegenwart» haben bereits stattgefunden: Sie waren erfolgreich sowohl beim Publikum als auch in der Presse. Rosina Kuhn, Juli 2020
«Mein wichtigster Lehrer war mein Vater, der Maler Adolf Funk. Vier Jahre lebte ich in New York, dann zeitweise im Tessin und ein halbes Jahr in Venedig. Diese Aufenthalte beflügelten mich und bestimmten mein Schaffen. Jetzt habe ich in Zürich/ Affoltern ein grosses Atelier. Ich male im Moment Porträts, grosse Figurenbilder und Landschaften.»
rosinakuhn.kleio.com
Ausstellungen: Kunsthaus Elsau 2022 — Helmhaus Zürich 2022 — Kammgarn West 2021 — Zeughaus Uster 2019 — Villa Renata Basel 2018 — Villa Flora Winterthur 2017 — Salzhaus Brugg 2016