Martina von Schulthess

*1960 in Liberia, lebt in Uster

Martina von Schulthess widmet ihre Arbeit vor allem dem Verhältnis zwischen Belebtem und Unbelebtem. Dabei lässt sie eine unglaublich gewitzte bildnerische Tradition aus der griechischen Antike wiederaufl eben. Dem Mosaikkünstler Solos von Pergamon wird die täuschend echte Darstellung eines «ungefegten Bodens» zugeschrieben. Bei griechischen und später auch römischen Gelagen war es gebräuchlich, Fischgräten, Muschelschalen und andere Essensreste auf den Fussboden zu werfen. Der Mosaizist Solos war so geistreich, solche Essensreste (inklusive ihrer Schatten!) in Mosaikfussböden bildnerisch einzuarbeiten. Derweil der abgenagte Hühnerknochen trostlos dem Fussboden entgegenfl og, wurde er daselbst bereits erwartet von einem ihm täuschend ähnlich sehenden mosaizierten Hühnerknochen, der ihm fortan vorübergehend Gesellschaft leistete – zumindest bis zum Einmarsch des Putzpersonals.Diese ebenso scharf- wie im Wortsinn tiefsinnige Denkbewegung aus der Antike greift Martina von Schulthess wieder auf. Nicht nur verleiht sie damit – wie schon in der Antike – vermeintlich Wertlosem einen Wert, sondern erhebt dieses sich am Boden abspielende stille Schauspiel auch noch an die Wand. Die Gegenstände, die ihre Bodenbilder zieren bzw. verunreinigen, sind teils Referenzen aus der Antike, teils aus unserer Zeit: Neben einem halb abgenagten Beerenzweiglein fi ndet sich eine zerdepperte Plastikfl asche. Zur neuerlichen Verwirrung liegt nun aber auf dem malerischen Mosaikimitat auch noch ein durchaus selig vor sich hinschlummerndes Baby (zitiert aus dem unermesslichen Bilderfundus des Internets) oder ein tagträumend dahingestreckter Pudel (aus dem privaten Fundus der Malerin).Diese Parabeln über Werden und Vergehen sind ein Fressen für Menschen, die Appetit auf Kunstgeschichte haben. Den grössten Hunger an diesem reich gedeckten Tisch verspüren heimliche Philosoph:innen. Fressen und gefressen werden, Realismus- und Vanitas-Theorien – überall klingeln die Assoziationsglöckchen. Die Stillleben-Spezialistin von Schulthess sagt es in ihrem Ustermer Kelleratelier ganz unprätentiös, und nicht minder philosophisch: «Es sind die Reste, die bleiben, nicht das Neue.» Oder: «Man macht Abfälle, weil man leben will.» Die Waage zwischen Leben und Tod kann sich bei Martina von Schulthess in beide Richtungen neigen. Neben den neuen, potenziert illusionistischen Mosaikbildern entsteht auch eine kleine, hintersinnige Werkgruppe mit Spielzeug- Kanarienvögeln als Protagonisten, die in einer künstlichen, unbelebten Umgebung wirken, als wären sie gerade erst zum Leben erweckt worden und doch ihres Lebens nicht ganz so sicher.

Besuchte 1983 den Vorkurs, anschliessend dreijährige Zeichenlehrerausbildung an der Kunstgewerbeschule Zürich. Danach als Kursleiterin und freischaffende Künstlerin tätig. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen. Werkbeiträge, Ankäufe und Atelierstipendium in Genua.

Schön! Es gibt sie auch heute, die figürlichen Malerinnen und die figürlichen Maler. Sie benutzen Ölfarben und Leinwände, sie leben fürs Bild, sie finden und zeigen es. Sie schliessen sich zusammen, gründen Interessensgruppen, bilden zusammen ein neues Zentrum, stellen aus, generationenübergreifend, in unterschiedlichen Formationen . . . so auch die Gruppe «Salon der Gegenwart». Schön, war ich dabei, in der Ausstellung in Brugg und in Uster! Martina von Schulthess, Juli 2020

martinavonschulthess.ch

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