Corinne Güdemann

*1960 in Winterthur, lebt in Zürich

Auch wenn die grossformatigen Bilder in Öl auf Baumwolle keine eigentliche Serie bilden, manifestiert sich in ihnen doch Corinne Güdemanns konzeptuelle Haltung. Ihre Auswahl gibt Architektur und Vegetation zu sehen nach Vorlagen aus ihrem privaten Fotoarchiv, so ein unbewohntes Jurahaus, ein Alphotel in Südtirol, das seine kubische Gestalt Ende der 1920er-Jahre bekommen hat, ein verwildertes aufgelassenes Gleisfeld inmitten von Mailand. Die Bauten sind nicht nur frontal ins Bild gepasst, sie nehmen das Format fast ganz ein. Bei aller Präsenz wirken sie jedoch in sich gekehrt, die meisten Läden und Vorhänge sind geschlossen. Das Verbergen evoziert etwas Geheimnisvolles, das durch punktuelle Lichter potenziert wird. Die Künstlerin vermag die Wirklichkeitsausschnitte durch motivische und malerische Schichtungen zu verdichten und gleichzeitig zu entrücken – was auch ihre kleinformatigen Alltagsszenen mit Menschen zeigen, die an Bilder aus einer Fabel denken lassen. Die Künstlerin spannt die grobkörnige Baumwolle selber auf die Keilrahmen und grundiert sie mit Gesso. Der lange Malprozess beginnt damit, dass sie über die auf dem Boden liegende Leinwand stark verdünnte Ölfarbe schüttet und mit Zufallsformationen einen Farbraum schafft. An der Wand formuliert sie dann mit breitem Pinsel und pastoser Farbe das Motiv aus. Durch Wiederholung des Verfahrens entsteht Schicht um Schicht eine abstrahierende Unschärfe.In ihrer Frontalität erinnern die ausgestellten Bilder an Corinne Güdemanns frühe Serie «Tagwerk», 1994/1995, bestehend aus 60 En-face-Selbstporträts in Öl auf quadratischem Sperrholz. Die Künstlerin schuf täglich ein Bild von sich im gleichen schwarzen Pullover vor warmweissem Grund. Auch wenn die sachlichen Porträts nach Spiegelbild gemalt sind und uns direkt anblicken, handelt es sich dabei nicht um Spiegelbilder. Die zurückgenommene Farbigkeit schafft jene Distanz, die feine Unterschiede sichtbar macht.Qualitäten von Introvertiertheit ziehen sich durch Corinne Güdemanns Werk. Sie manifestieren sich in den Lesenden der Werkgruppe «Lesen», 2009, den Schlafenden der 30-teiligen Serie «schlafverloren», 2005, oder den Schauenden der Serie «Im Museum / Unter Glas», seit 2016. Anstoss zum Bild «Vermeer», 2018, gab indes die Unmöglichkeit, die Bilder des holländischen Malers inmitten einer Menschenmenge in Ruhe zu betrachten.

Im Anschluss an den Vorkurs, an der Schule für Gestaltung Zürich besuchte Corinne Güdemann die Textilfachklasse (1976–1981). Darauf folgte ein Studium in Malerei bei Arnulf Rainer an der Akademie der bildenden Künste Wien (1983– 1987). Ein Atelierstipendium der Stiftung Binz39 führte sie 1989 zurück nach Zürich, wo sie bis 1994 bei Peter Jenny an der Architekturabteilung der ETH Zürich als Assistentin für bildnerisches Gestalten tätig war. Seit 1994 ist sie freischaffende Malerin und Zeichnerin, hatte dabei zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen sowie Projekte in Kunst und Bau. Sie erhielt mehrere Kunst- und Atelierstipendien, Werkbeiträge und Preise.

Der durchschnittliche Alltag einer Malerin besteht aus der einsamen Arbeit im Atelier. Umso willkommener ist mir der Austausch mit geschätzten Kolleginnen und Kollegen, die alle auf einem verwandten Gebiet tätig sind und deren Werke doch sehr unterschiedlich sind. Nach einem langwierigen Vorbereitungsprozess – bei dem durchaus heiss diskutiert werden kann und wo auch mal die Fetzen fliegen – steht zum Schluss endlich die Ausstellung! Jedes Mal ein grossartiges Erlebnis. Die unterschiedlichen Ausstellungsräume – von der ehemaligen Lagerhalle bis zur gutbürgerlichen Kunstsammlervilla – prägen die einzelnen Ausstellungen, verleihen jeder von ihnen ihre einzigartige Aura. In der Gegenüberstellung treten die Bilder der einzelnen Maler und Malerinnen in einen Dialog, wobei unverhoffte Parallelen, Reibungen oder Ergänzungen entstehen, die mich inspirieren oder auch gewohnte Sichtweisen in Frage stellen können. Für mich ist die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Menschen im «Salon der Gegenwart» jeweils eine grosse Bereicherung. Corinne Güdemann, August 2020

corinneguedemann.kleio.com

Zurück
Zurück

Kaspar Toggenburger

Weiter
Weiter

Alex Bär